Treffen der Straßenkinder im Juli 2014: neue Kleider und "Idi" für die Kinder zum "Ide Korban"

Diesmal war das Zusammentreffen der 49 Straßenkinder und ihrer Eltern ein besonders freudiges, da es auf den Ide Korban Festtag (großer islamischer Festtag) fiel.

Es begrüßten sich alle, ob Hindu, Moslem oder Sikh, mit herzlicher Umarmung und wünschten einander "frohe Id-Tage".

Es ist üblich, dass die Menschen, auch Fremde, sich zu den beiden Id-Festen, die es im Jahr gibt, mit einer Umarmung und besten Wünschen begrüßen. Die Kinder und ihre Begleiter wurden von ihrem ideellen Vater, Herrn Baqi Samandar und unseren beiden Mitarbeitern, Herrn Said Nematullah und Herrn Farid, wie immer mit Liebe empfangen.

Die Kinder freuten sich besonders auf ihre neuen Kleider und ihr "Idi". ("Idi" ist ein kleines Bargeldgeschenk, welches Kinder traditionell von den Erwachsenen bekommen.) Es ist allgemein üblich, dass man sich zu dieser Art moslemischer Festtage, soweit man es sich leisten kann, neu einkleidet. Ist dies nicht möglich, werden von den vorhandenen Kleidungsstücken die Besten, frisch gewaschen, getragen.

Wir haben es geschafft, zu diesem Id unsere 49 Kinder und dazu weitere 20 Straßenkinder, welche aus finanziellen Gründen noch nicht in unser Projekt aufgenommen werden konnten, neu einzukleiden. Auch bekam jedes Kind ein Idi von 3 $. Das Geld für die Kleider hat unsere Münchener Ortsgruppenleiterin, Frau Aryan Ahmadi, zusammen mit ihrer Familie durch ihre großartige Aktion im Thomas-Mann-Gymnasium (wir berichteten) gesammelt.

Nun begann Baqi Samandar, den Anwesenden über die Geschichte und die Bedeutung von Ide Korban sowie den damit verbundenen Traditionen zu erzählen. "Id", übersetzt auf deutsch, heißt Fest und "Korban" Opfer. Nach einer Sage soll Abraham, der erste Prophet, auf Befehl des Gottes seinen Sohn Ismail auf einem Berg opfern. Auf dem Berg angekommen, wollte er den Befehl ausführen, doch er fand ein Schaf und hörte Gottes Stimme, die ihm gebot, das Schaf an Stelle seines Sohnes zu opfern. Abraham und sein Volk waren voller Freude, dankten Gott, verteilten das Fleisch an Arme und feierten.

Basierend auf dieser Überlieferung feiern alle Moslems der Welt das Ide Korban Fest. Es entstand die Tradition, soweit es den Menschen möglich ist, in diesen Tagen "zu Ehren Gottes" ein Tier (Schaf, Ziege, Kuh, Kamel) zu schlachten und das Fleisch an die Armen zu verteilen. Millionen von Gläubigen pilgern nach Mekka (Hadsch) und bringen dort, jeder einzelne, ein Schaf zum Opfer.

Wie die Sage hat auch dieses Fest positive und freudige Aspekte. Aber auch sehr viel Negatives, Grausames ist damit verbunden.

Schön ist der Brauch, dass sich alle nach dem Gebet umarmen und Glück wünschen. Auch die Verteilung des Fleisches an Arme ist eine gute Sache. Aber leider, wie man weiss, nehmen heute diejenigen, die es sich leisten können, ein Schaf zu schlachten, die besten Stücke für sich und ihre Familie und geben nur die Reste, Knochen und innere Organe weiter. Sehr wenige Wohlhabende verteilen tatsächlich das ganze Fleisch an diejenigen, die sich das ganze Jahr über so gut wie nie Fleisch leisten können, und das ist der überwiegende Teil der Menschen in Afghanistan und anderen moslemischen Ländern.

Besonders kritisch betrachtet werden sollte die heutige Praxis des Pilgerns mit dem Gebot, am Pilgerort ein Schaf zu opfern. Es mag sein, dass dieser Brauch bei seiner Entstehung am Anfang des Islam eine gewisse Berechtigung hatte, da zu der Zeit Mekka ein trockenes, unfruchtbares Gebiet war, in dem große Armut und Hunger herrschten. Auch war die Anzahl der Pilger damals sehr gering. Wenige tausend Menschen konnten sich, per Karawane, auf Pilgerreise begeben und entsprechend wenige Schafe mit sich führen, die bei Ankunft tatsächlich der Ernährung der Menschen dort dienten.

Heutzutage, im Zeitalter der Technik, reisen die Pilger zu Millionen per Jet an. Allein in diesem Jahr ist die Anzahl der Pilger auf über 3 Millionen angewachsen, davon kamen 30 000 aus Afghanistan. Das bedeutet, dass an einem Tag ca. 3 Millionen Schafe getötet werden, die man eigens zu diesem Zweck lebend aus Australien importierte. (Google: Tiertransporte von Australien nach Saudi Arabien, www.youtube.com/watch?v=7ojjMOaKfwq) Davon werden aber "nur" ca. 350 000 verzehrt. Das überschüssige Fleisch wird teilweise in Kühlhäusern gelagert und später in moslemische Länder zu Gunsten der Scheichs  exportiert und nicht, wie es eigendlich geboten wäre, als Gabe an die Armen verschenkt. So steigen die Profite der Scheichs in Milliardenhöhe und gleichzeitig wächst die Armut in den entsprechenden Ländern. Da die Kapazität der Kühlhäuser nicht ausreicht, wird der Rest des Fleisches vernichtet. Kann diese Praxis Segen sein oder ist sie nicht viel mehr eine Sünde?

Die Tiere leiden in den 3 Wochen der Überfahrt Todesängste und unbeschreibliche Qualen. In Bahrain angekommen, werden sie auf unmenschliche Weise per Laster zu den Schlachthäusern transportiert. Dort werden sie wiederum auf brutale Weise in die Räumlichkeiten gebracht, wo ihnen schließlich die Kehle aufgeschnitten wird und sie zappelnd ihren Todeskampf erdulden müssen. (Google: Bilder zu schlachtungen zum opferfest in mekka)

Kann es segensvoll sein, Tiere, die auch Geschöpfe Gottes sind und über die der Islam sagt, man solle sie gut behandeln, zu quälen und leiden zu lassen? Ist das im Sinne Gottes oder nicht viel mehr eine große Sünde? Kann es segensvoll sein, dass, während Menschen in Afghanistan verhungern, gleichzeitig 30 000 Afghanen und die Millionen anderer Pilger jeder ein Schaf schlachten lassen, und diese größtenteils nicht gegessen, sondern vernichtet werden oder ist das nicht viel mehr eine große Sünde? Hierzu fordern viele Kritiker die neue " nationale Einheitsregierung"  Afghanistans, mit dem  Präsidenten Herrn Ashraf Ghani und seinem Regierungschef, Herrn Abdullah Abdullah, dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass die rituelle Opferung direkt in Afghanistan gestattet wird und nicht in Mekka, und somit den Hunger in Afghanistan zu lindern und zu ermöglichen, dass diejenigen, welche das ganze Jahr über kein Stück Fleisch zu essen bekommen, dies in den Feiertagen tun können. Wäre dies nicht segensvoll?

Ist es segensvoll, Saudi Arabien und den Emiraten, die zu den reichsten Ländern der Welt gehören und deren viele Dollar-Milliarden auf europäischen und amerikanischen Banken arbeiten und die Globalisierung der Weltwirtschaft antreiben, was nicht zum Nutzen armer Länder, sondern ausschließlich zum Nutzen des Monopolkapitals ist, Devisen zu bringen, die in den Heimatländern dringend gebraucht würden?
 
Maullanah Jallaludin Balchi, der große und bekannte Sufi, der im Westen als Rumi bekannt ist, sagt in einem seiner Gedichte:

Gewinne ein Herz,
das ist der wahre Hadsch.
Besser als tausende Hadsches
ist es, ein Herz zu gewinnen.
Oh, Reisende nach Kaaba,
wo seid ihr, wo seid ihr?
Der Geliebte (Gott) ist hier,
kommt hierher! Kommt ihr hierher! (zu euch selbst)

Zum Thema Hadsch dichtete der Sufi Abu Said Abuchaier:

Im Herzen freuen wir uns nach Hadsch zu gehen
ohne zu wissen, dass wir falsch gehen.
Um Gott zu sehen, gehen wir nach Kaaba?
Er ist hier, wo gehen wir hin?
Hadsch für Gott ist nichts anderes,
als das Herz zu säubern,
und andere Herzen von Sorgen zu säubern.
Glaube hängt nicht von Gebetskette, Kopfbedeckung und Bart ab.
Jeder, der Ali ruft, ist doch kein Derwisch.

Auch die folgende Geschichte eines anderen großen Sufis wurden auf dem Treffen vorgetragen:

"Es wurde erzählt, ein großer Araber begab sich auf die Reise nach Kaaba. Er hieß Abdul Jabar und er hatte 1000 Dinar in Gold bei sich. Als er in Kufa ankam, machte die Karawane dort für einige Tage Rast. Abdul Jabar nutzte die Zeit, um sich die Stadt anzusehen und die Umgebung zu erkunden. Dabei gelangte er zu einer Ruine etwas außerhalb der Stadt. Dort sah er eine Frau, die in dieser Ruine nach etwas suchte. Aus einiger Entfernung beobachtete Abdul Jabar die Frau. Plötzlich entdeckte diese auf dem Boden ein verendetes Huhn, welches sie schnell unter ihren Kleidern verbarg. Dann ging sie eilig fort. Neugierig geworden, was es damit für eine Bewandnis hat, folgte er unbemerkt der Frau. Er sah, wie sie zu einem Haus ging. Die Tür öffnete sich und eine Schar Kinder lief der Frau entgegen. "Mutter! Mutter! Hast du uns etwas zum Essen mitgebracht? Wir sterben vor Hunger!" "Liebe Kinder, ja, ich habe ein Hühnchen für euch gebracht. Gleich werde ich es für euch braten." Als der Mann dies sah, begann er zu weinen und ging zu den Nachbarn der Frau um näheres über sie zu erfahren. Der Nachbar erzählte: "Sie ist die ehrbare Frau von Ben Siad Alawi. Ihr Mann wurde von verdammten Pilgern getötet. Nun muss sie sich und die Kinder allein versorgen." Abdul Jabar sagte zu sich: "Wenn du pilgern möchtest, ist hier Kaba für dich." Und er öffnete seinen Beutel und gab seine 1000 Dinar der armen Frau. Er selbst, nun mittellos, arbeitete fortan als Wasserträger in Kufa. Nach einem Jahr, als wieder einmal eine Karawane von der Pilgerreise aus Mekka zurückkehrte, ging er ihr entgegen, um sein Wasser zu verkaufen. An der Spitze der Karawane ritt ein Mann auf einem Kamel. Als dieser Abdul Jabar erblickte, stieg er von seinem Kamel und rief ihm zu: "He, junger Mann, du hast mir damals auf dem Boden von Arafat 10 000 Dinar gegeben, und die möchte ich dir heute mit Dank zurückzahlen. Ich suchte dich lange, nun komm und nimm das Gold." Mit diesen Worten übergab der Fremde das Geld an Abdul Jabar. Dieser war sehr verwundert, denn er konnte sich nicht an die Begebenheit erinnern und so fragte er, wo und wann dies geschehen sei, aber der Fremde war schon in der Menschenmenge verschwunden  und es war Abdul Jabar nicht möglich, ihn wiederzufinden. Plötzlich hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach: " Abdul Jabar, wir haben dir für deine 1000 Dinar 10 000 Dinar gegeben und einen Engel beaftragt, der für dich Hadsch macht und für dein ganzes Leben jedes Jahr ist deine gute Tat als Hadsch eingetragen. Du sollst wissen, dass keine gute Tat bei uns ohne Segen bleibt."

Mit dieser Geschichte endete das Treffen und alle Kinder und ihre Begleiter gingen glücklich und zufrieden nach Hause.

Abschließend einiges zum Sufiismus

Sufi heißt übersetzt "Der mit einem Wollkleid bekleidete", nach dem Büßergewand benannt, welches die Sufis um 700 n.Chr. trugen. Im Gegensatz zu konservativen Islamisten, die Gott als furchteinflößend und strafend darstellen und dem man zu gehorchen hat, "(...) predigen die Sufis die Liebe zwischen Gott und den Menschen. (...) Unter den Sufis entwickelten sich besondere Systeme zur stufenweisen Herbeiführung der Extase, die mit Hilfe des 'erlösenden Wissens'  zum Verweilen in Gott und zur mystischen Vereinigung mit Gott führen sollte (...)".

Sufis drängen nach innerer und äußerer Freiheit, lassen sich nicht von außen sagen, wie und was sie zu glauben haben, da Gott von jedem einzelnen in sich selbst erfahren wird. Deswegen wurden sie schon früh bekämpft und verfolgt, obwohl sie sich an die äußere Befolgung der Gebote und Gesetze hielten. Sufiismus ist inzwischen religionsübergreifend, das heißt, ob jemand ein Moslem, ein Hindu, ein Christ, ein Jude, ein Buddhist ist, wer die Liebe des Gottes in seinem Herzen aufnimmt und sie an Menschen, Tiere, Pflanzen, die Natur weitergeben kann, ist ein Sufi. Sufiismus ist konfessionsunabhängig und kann die Menschen einigen.

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