Treffen der Kinder und Familien im November 2015

Ein Bericht von unserem Projektleiter Herrn Rashid aus Kabul.

Das monatliche Treffen mit den Straßenkindern im November fand am 27.11. 2015 statt. 85 Kinder waren anwesend und erhielten ihre monatliche Unterstützung. Das Treffen gestaltete sich wie folgt:

Nach der gemeinsamen Begrüßung wurde mit den Kindern über die Schule sowie über die noch andauernden Prüfungen für das Schuljahr 1394 (2015) gesprochen. Um den Kindern einen Motivationsschub zu geben, wurde noch einmal betont, dass diejenigen, die in ihren Klassen Primus, Zweite oder Dritte werden, eine Auszeichnung, verbunden mit einem kleinen Geldpreis, erhalten werden.

Mit denjenigen, die, aus welchen Gründen auch immer ihre Prüfungen nicht bestehen, werden wir zunächst einmal sprechen und gemeinsam die Gründe für das schlechte Abschneiden herausfinden. Soweit nicht Faulheit, Schule-schwänzen und Wieder-auf-die-Straße-gehen die Gründe sind, und wir den Eindruck haben, dass das Kind eigentlich gern lernen möchte, wird mit dem Kind besprochen, ob intensivere Nachhilfe hilfreich sein kann oder ob eine praktische Ausbildung eventuell sinnvoller als weiterer Schulbesuch sein wird. Den Kindern wurde erklärt, dass es daher wichtig ist, ihre Zeugnisse zum nächsten Treffen mitzubringen und dass sie keine Angst zu haben brauchen, auch schlechte Zeugnisse zu zeigen.

Diejenigen, die offensichtlich unmotiviert sind, weder lernen noch regelmäßig zur Schule gehen, müssen zu Gunsten der zahlreichen lernwilligen Kinder auf unserer Warteliste KUFA verlassen.

Da am 25.11.2015 der „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ war, war das Thema ein signifikanter Bestandteil des Treffens. Eingangs bekamen die Teilnehmer allgemeine Informationen über die Thematik „Gewalt gegen Frauen“ und deren Bekämpfung. Es wurde darüber berichtet, dass Gewalt gegen Frauen leider in verschiedenen Lebensbereichen in Afghanistan stattfindet und üblich ist: in der Familie, in verschiedenen Institutionen und in der Gesellschaft im Allgemeinen. Dieses menschenverachtende Phänomen gefährdet das Leben von Frauen ganz real.

Des Weiteren bekamen die Kinder und ihre erwachsenen Begleiter über die Arten von „Gewalt gegen Frauen“ Auskunft: physische aber auch psychische Gewalt. Die psychische Gewalt wurde anhand des Beispiels, dass Frauen täglich auf den Straßen unter seelischer sowie körperlicher Gewalt leiden müssen, erläutert. Frauen werden auf offener Straße am hellen Tag von Männern sexuell – verbal und nonverbal belästigt. Daher fühlen sich Frauen selbst an belebten Plätzen nicht sicher.

Dieses Verhalten von Männern zeigt ihr offenbar falsches Männer-Frauen-Bild, das in einer Männer dominierten Gesellschaft wie Afghanistan unter anderem durch Tradition legitimiert wird. Einige Männer finden es amüsant, Frauen auf offener Straße zu kneifen und zu diskriminieren. Diese Männer können/ wollen nicht nachvollziehen, dass die Betroffenen seelisch stark darunter leiden. Ein Bewusstsein dafür, dass Frauen und Männer absolut gleichwertig sind, muss leider erst mühsam und geduldig geschaffen werden.

Es ist Fakt, dass Frauen (immerhin die Hälfte der afghanischen Bevölkerung) es satt haben, permanent auf den Straßen (sexuell) belästigt zu werden. Die Folge davon ist nicht nur die psychische Belastung, sondern auch, dass die Bewegungsfreiheit vieler Frauen massiv eingeschränkt wird, da ihnen von männlichen Familienmitgliedern nicht mehr gestattet wird, das Haus zu verlassen, um ihren Beschäftigungen nachzugehen oder zur Schule zu gehen. Außerdem wurde über die Ursachen von „Gewalt gegen Frauen“ gesprochen.

Anschließend daran erläuterte der Redner potenzielle Mittel zur Bekämpfung gegen Gewalt an Frauen:

a) Achtung vor Frauen im Allgemeinen und Beachtung der Menschenrechte. Keine Frau darf aufgrund ihrer geschlechtlichen Zugehörigkeit diskriminiert werden.
b) Forderung nach Inkrafttreten - und vor allem der Durchsetzung - von Gesetzen, die Frauenbelästigung auf Straßen verbietet.
c) Letztendlich wollen wir positive Veränderungen in der Gesellschaft. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, die verhindert, dass Frauen auf Straßen belästigt und anderweitig unterdrückt und misshandelt werden.

Zwei Freunde von Herrn Samandar, die vorhaben, einen Film „Gewalt gegen Frauen“ zu drehen, waren auch anwesend. Diese sprachen das folgenden Motto/ die Parole aus: „Mutige Männer setzen sich für Frauenrechte ein“.

Frau Shahba Shahrukhi, Dozentin der Fakultät Psychologie zu Mazar-i-Sharif und eine Menschenrechtsaktivistin waren auch anwesend. Auch sie sprachen über „Gewalt gegen Frauen“. Ferner boten sie ihre Unterstützung den anwesenden Müttern an, in dem sie die betroffenen Frauen ermutigten, sich bei Problemen bei ihnen zu melden. Sie werden im Rahmen ihrer Möglichkeit den Frauen/ Müttern helfen.

Aufgrund der unzureichend gesicherten elektrischen Geräte bzw. Steckdosen kommt es zu häufigen Stromschlägen bei Kindern. Der neunjährige Matti’ullah, der durch einen Stromschlag seine beiden Unterarme verlor und in Deutschland deswegen in Behandlung war, berichtete von seinem Unfall. Den anwesenden Kindern wurde erklärt bzw. sie wurden gewarnt, höchste Vorsicht im Umgang mit Elektrizität walten zu lassen.

Da der größte Teil des Treffens der Thematik „Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ gewidmet wurde, zeichneten die Kinder Bilder zu diesem Thema, was der praktische Teil des Zusammenkommens war. Einige zeichneten aussagekräftige Bilder, die erschütternde Botschaften in sich bergen.

Wie immer wurde anschließend gemeinsam gegessen, und zum Schluss das Geld für Monat November an die Straßenkinder ausbezahlt.

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